
Die Story vor der Story
von Pascal Kamp
Was ist die allererste Szene von „Fluch der Karibik 1“?
Denkt mal drüber nach!
- Eine Rückblende, in der man den jungen William Turner aus dem Meer fischt und die junge Elisabeth ihm ein Amulett abnimmt.
Oder was war noch die allererste Szene in Matrix?
- Trinity, die ein paar Bullen vermöbelt und dann vor Agenten flieht.
Komm schon: American Beauty?
- Die Göre „beauftragt“ ihren Freund, den Vater zu töten.
Wenn du nun kein ganz extremer Film-Freak bist, wusstest du das nicht alles. Auch wenn du die Filme eigentlich kennst. Warum nicht? Viele Filme beginnen mit Szenen, die vom eigentlichen Verlauf losgelöst sind und diese kann der Zuschauer sich auf lange Zeit nicht gut merken. Erst nach diesem ersten Eindruck beginnt der Film wirklich.
Und genau diese Technik bietet sich auch für Rollenspielrunden an. Denn solche kurzen Szenen machen neugierig auf den weiteren Verlauf (Wer ist diese Frau, die einfach mal die ganzen Bullen niederschlägt? Und wer sind diese Männer in Anzügen, vor denen sogar sie flieht?). Zudem ermöglichen es solche Einführungen den Spielern, sich auf das Spiel einzustimmen, bevor es für sie wirklich um die Wurst geht.
Und wie setze ich das im Spiel um?
Ganz einfach, wenn du ein paar Grundregeln befolgst:
Übertreibe es nicht!
Bringe nicht vor jedem Abenteuer einen Prolog. Dann ist die tolle Innovation irgendwann Routine und der Reiz schwindet. Und lasse diese erste Einführung nicht zu lang werden. Du willst das Abenteuer spielen, nicht die Einführung.
Verrate weder zu viel noch zu wenig:
Natürlich musst du aufpassen, dass dein Intro nicht zu viel über das folgende Abenteuer verrät. Das ist so, als wäre die Einleitung bei Matrix eine Vorschau, in der Neo niedergeschossen wird, aufsteht und die Agenten besiegt.
Aber die Einleitung sollte schon eine gewisse Relevanz haben und in enger Beziehung zum folgenden Abenteuer stehen. Aber eigentlich ist dieser Pfad zwischen den beiden Extremen breit genug, um gefahrlos auf ihm wandeln zu können.
Lasse dir nicht die Show stehlen:
Ein Intro soll der Gruppe etwas vermitteln. Da dürfen die Ereignisse nicht aus dem Ruder laufen. Besonders dann, wenn es sich um einen Rückblick handelt. Passe also auf, dass nichts geschieht, das den späteren Plot ins Wanken bringt!
Am Intro sollten einige Nichtspieler-Charaktere beteiligt sein, die im späteren Verlauf keine, oder keine großen Rollen mehr spielen. Beschreibe diese deinen Spielern kurz und teile sie unter den Anwesenden auf. Dabei muss nicht zwangsläufig jeder Spieler eine Rolle bekommen.
Beispiel:
“Du bist Benno, ein LKW-Fahrer. Nach 14stündiger Fahrt erreichst du einen Rastplatz, um deinen Koffein-Vorrat aufzufüllen.“
So, das reicht! Der Spieler hat alle relevanten Infos. Benno schlendert also in die Tanke. Perfekt!
Nun könnte diese beispielsweise überfallen werden, um eine CD-ROM zu bekommen, in deren Besitz der Typ hinter dem Tresen zufällig gekommen ist (Das erbeutete Geld ist für die Täter dann ein netter Nebeneffekt). Benno und die anderen NSCs sind zufällig gerade in der Tankstelle und werden zu Opfern dieses Verbrechens. Und wenn die Räuber später die Gegner unserer Helden werden sollen, bietet es sich an, dass sie Benno killen. Denn so haben sie einen der Charaktere des Spielers auf dem Gewissen und sein späterer Hass auf die Gegner wird noch viel tiefer sitzen.
Wenn die Helden dann später den Auftrag bekommen, diese CD zurückzuholen, sind sie schon hervorragend auf das Geschehen eingestimmt. Sie werden sich beim Intro fragen, was das für Typen sind, die eine Tankstelle überfallen, um an eine CD zu kommen. Und vor allem, was das wohl für eine CD ist! Das Intro hat hier weder zu viel verraten, noch war es zu weit vom eigentlichen Plot entfernt. Operation geglückt, Benno tot!
Dann erlischt das Licht für einen kleinen Moment, die Bühne wird umdekoriert und schon beginnt das eigentliche Abenteuer mit den richtigen Charakteren. Charakteren, die noch keine Ahnung haben, was sie erwartet. Die Spieler hingegen haben da schon eine böse Vorahnung.